23.06.2020

Vom Prozess gedacht – Entwicklungspartnerschaft von Maschinen- und Werkzeughersteller

Bei der zerspanenden Herstellung von Bauteilen stehen Taktzeiten und Werkzeugkosten umso mehr im Vordergrund, je größer die zu bearbeitenden Serien sind. Bei großen Stückzahlen, wie sie beispielsweise im Automobilsektor üblich sind, müssen deshalb die Eigenschaften sowohl der Werkzeugmaschine als auch der Werkzeuge optimal aufeinander und auf den jeweiligen Fertigungsprozess abgestimmt sein.

Carina Becker (l.) und Jörg Rodehutskors (Mitte) im Gespräch mit Alexander Wiesner vor einem Fertigungsmodul FM3+X hd.
  • Carina Becker (l.) und Jörg Rodehutskors (Mitte) im Gespräch mit Alexander Wiesner vor einem Fertigungsmodul FM3+X hd.
  • Blick in den Innenraum eines Fertigungsmoduls. Zu sehen sind zwei Spindelreihenrevolver.
  • Im rechten Bildbereich sind zwei Stufenbohrer eingespannt im Fertigungsmodul zu sehen.
  • Vier Scheibenfräser sind im Fertigungsmodul eingespannt.
  • Vier Tiefbohrer sind während der Bearbeitung von Kraftstoff-Verteilerleisten im Fertigungsmodul zu sehen.
„Wir haben bei Kundenanfragen unseren ganz eigenen Ansatz“, sagt Meinolf Wolke, Teamleiter Vertrieb bei der ELHA-MASCHINENBAU Liemke KG (ELHA) in Hövelhof. Der mittelständische, inhabergeführte Sondermaschinenbauer stellt das Werkstück und dessen Bearbeitung in den Mittelpunkt und entwickelt dafür eine optimale, exakt auf den Prozessablauf hin ausgelegte Lösung. „Dabei werden alle technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt“, erläutert Wolke. Erst dann entscheiden die Verantwortlichen, ob hierfür eines der vorhandenen Maschinenkonzepte infrage kommt oder eine individuelle, anwendungsspezifische Konstruktion gefragt ist. Meinolf Wolke ergänzt: „Über die Maschine hinaus bieten wir Dienstleistungen, die von der Prozessentwicklung sowie der Konstruktion von Vorrichtungen bis hin zur kompletten Turnkey-Lösung mit Automation inklusive Produktionsbegleitung reichen.“

Sonderwerkzeuge für niedrige Gesamtkosten

„Die Zerspanungsaufgaben sind oft genauso individuell wie die Bauteile selbst einschließlich ihrer Werkstoffe“, ergänzt Alexander Wiesner, Technischer Berater bei MAPAL. „Natürlich lassen sich viele Bearbeitungen an komplexen Bauteilen auch mit Standardwerkzeugen umsetzen, allerdings ergeben sich daraus vor allem bei großen Stückzahlen oft erhebliche Nachteile bezüglich Taktzeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit.“ In diesen Fällen sind Sonderwerkzeuge, die MAPAL genau auf die jeweilige Bearbeitung abstimmt, das Mittel der Wahl. 

„Bei der Werkzeugauslegung kommt es auch darauf an, die erforderlichen Parameter des Bearbeitungsprozesses zu ermitteln“, sagt Wiesner, „insbesondere bei anspruchsvollen Geometrien“. Um den Prozess bestmöglich auszulegen, fertigt MAPAL deshalb häufig Werkzeuge als Prototypen. Damit werden dann umfangreiche Versuche am zu bearbeitenden Bauteil gefahren. „Dies wiederum hilft dem Anlagenhersteller, die Maschine mit den ermittelten Werten aus den Versuchen auszulegen“, so Wiesner weiter. Mit ELHA bestehe auf diesem Gebiet eine langjährige Entwicklungspartnerschaft. Die Vorteile für die Kunden, die sich daraus ergeben, werden nachfolgend anhand von drei Beispielen vorgestellt: 

Vollbohrer für die Querlenkerbearbeitung

Im rechten Bildbereich sind zwei Stufenbohrer eingespannt im Fertigungsmodul zu sehen.
Anordnung der Stufenbohrer an der rechten Seite des Arbeitsraums eines Fertigungsmoduls. In Summe sind dort vier Stufenbohrer angeordnet. Foto: ELHA 

„Beim Vollbohren in Aluminium inklusive der Herstellung einer Passung bei der Bearbeitung eines Querlenkers stellten uns die Leistungen der bisher eingesetzten Lösung nicht zufrieden“, erinnert sich ELHA-Projektleiter Friedhelm Dresmann. Zum Einsatz kamen Werkzeuge mit gelöteten PKD-Schneiden (polykristalliner Diamant). Um die Bearbeitungszeit möglichst gering zu halten, wurden diese Bohrer mit sehr hohen Vorschüben eingesetzt. Als Nachteile erwiesen sich dabei die dafür nötige, hohe Antriebsleistung sowie die unzureichende Haltbarkeit der PKD-Schneiden an der Vollbohrstufe. Auf der Suche nach einer Lösung wandten sich die Verantwortlichen bei ELHA an MAPAL. Gemeinsam arbeiteten die Mitarbeiter des Maschinen- und des Werkzeugherstellers an einer Lösung. Entstanden ist ein Hybridwerkzeug. Es ist mit dreischneidigen, CVD-diamantbeschichteten ISO-Wendeschneidplatten zum Vollbohren in der Werkzeugspitze bestückt. Gelötete PKD-Schneiden auf der zweiten Stufe des Werkzeugs erzeugen die Passung. 

Die Versuchsingenieure von MAPAL testeten das neue Werkzeug im eigenen F&E-Zentrum. Es überzeugte. Neben den insgesamt geringeren Kosten der Wendeschneidplatten ergab sich eine verringerte erforderliche Antriebsleistung aufgrund der positiven Schneidengeometrie. Zudem bilden sich, wie zuvor oftmals geschehen, keine langen Späne mehr. Die Wendeschneidplatten an der hoch belasteten Bohrerspitze können einfach und schnell gedreht beziehungsweise getauscht werden. So sank auch der Instandhaltungsaufwand beträchtlich. Insgesamt reduzierten sich die Kosten für den Hersteller des Querlenkers pro Herstellung einer Bohrung um mehr als 50 Prozent. 

Scheibenfräser für die Querlenkerbearbeitung

Vier Scheibenfräser sind im Fertigungsmodul eingespannt.
Vierfach-Einsatz von Scheibenfräsern für Querlenker. Die massiven Schnittstellen sind ein Hinweis auf die hohen erforderlichen Antriebsleistungen Foto: ELHA 

„Auch bei der Bearbeitung geschmiedeter Querlenker haben wir zusammen mit MAPAL nach einer effizienten Lösung gesucht“, erläutert ELHA-Projektleiter Marcel Thieschnieder, „Ziel war es, prozesssichere Werkzeuge zu entwickeln und die geforderten Taktzeiten einzuhalten.“ Bei dem Querlenker muss aus dem vollen Material am Ende des Lenkers eine Gabel erzeugt werden. Bei dem langspanenden Werkstoff sind bei der geforderten vierspindligen Bearbeitung sehr hohe Antriebsleistungen der Maschine erforderlich. Zudem weist die innere Kontur des Bauteils mehrere Schrägen und Radien auf, was den Abfluss der Späne beim Fräsen erschwert. 

„Um kurze Prozesszeiten zu garantieren, haben wir einen Scheibenfräser mit ISO-Wendeschneidplatten entwickelt, der Schruppen und Schlichten mit Minimalmengenschmierung in nur einem Schritt ermöglicht“, erinnert sich Alexander Wiesner. Die Wendeschneidplatten sind CVD-diamantbeschichtet. Durch die exakt definierte Anordnung der einzelnen Platten, ist die erforderliche Antriebskraft begrenzt. Nach umfangreichen Tests bei MAPAL und den daraus resultierenden Daten, legte ELHA den Antrieb seiner Maschine konkret auf diese Leistung aus. Ein positiver Nebeneffekt des Scheibenfräsers war die Verkürzung der Taktzeit durch nur einen Schnitt. Darüber hinaus wird durch das Werkzeug nur eine Spindelreihe belegt und die Werkzeugfolgekosten für den Endkunden werden verringert.

Deep hole drill for the machining of stainless steel forged components

Four deep drills can be seen in the manufacturing module during the machining of fuel distributors.
Quadruple machining of fuel-supply distributor parts with deep drills. The clamping fixtures that rotate in opposite directions to minimise the deviation of the drill are what makes the solution exceptional. Photo provided by ELHA. 
“Our customer is a manufacturer of high-pressure fuel-supply distributors for petrol engines. This requires drilling deep bores in narrow, forged, stainless steel blanks,” says ELHA Project Leader Jörg Rodehutskors. The material is difficult to machine, and the bore is 300 mm deep. The drill needs to experience as little axial deviation as possible, otherwise wall of the part (which experiences high pressure) will fall below the required minimum thickness. Previously, the manufacturer machined these bores in a separate, single-spindle machine tool with a single-flute deep hole drill.
In order to optimise their processes, the customer asked ELHA to provide a solution in which the process described above, along with all other machining tasks, could be performed on a single production module using multiple spindles. The parts should leave the production module in ready-to-install condition.
ELHA enlisted MAPAL to assist with the bore process previously discussed. The tool manufacturer was asked to provide a drill that was able to carry out the machining more quickly – and with less deviation and less wear and tear. The MAPAL engineers developed a double-edged solid carbide drill designed to meet the requirements perfectly. With application parameters of Vc = 90 m/min and f = 0.5 mm, the new tool achieves a tool life of 80 metres – almost three times as long as the solution previously in use. Another special feature of the solution developed jointly by ELHA and MAPAL is that the workpieces in the clamping fixture rotate in the opposite direction to the drill during machining, which reduces the deviation of the bore even further. This leads to significant cycle time benefits for the customer, who manufactures up to five million of these parts every year. And on top of that, they now only need one machine to carry out all machining tasks.

Development partnership synergies

“These three examples demonstrate the benefits of our close collaboration with MAPAL,” concludes Carina Becker from Technical Sales at ELHA. “And on top of that, the cooperation gives our design engineers additional freedom.” MAPAL’s specialists for the development of high-performance tools, as well as their exceptionally well-equipped R&D department in Aalen, make it possible to develop and intensively test new tool solutions even during the planning phase. That means ELHA is able to offer its customers even more well-engineered and economically advantageous solutions.

The production module Philosophy

A peek inside the interior of a manufacturing module. Two spindle row revolvers are shown.
A peek inside the interior of a manufacturing module shows that it features two spindle row revolvers, left. 
ELHA primarily developed the production module series for the cutting manufacturing of mass-produced parts (> 100,000 identical or similar parts). In this manufacturing concept, the tools themselves are not moved, but instead the parts are passed along tools arranged in rows. Every row of tools has a clamp and drive system that is optimised for the machining task. The workpieces are moved from each tool row to the next using the clamping fixture, which achieves the shortest possible chip-to-chip times. The modular system can be equipped with various multi-spindle modules. Multi-spindle revolvers providing space for up to 128 directly driven tools can be used for even more flexibility.

About ELHA-MASCHINENBAU Liemke KG

ELHA-MASCHINENBAU is a family-run business that manufactures machine tools for cutting metal machining. The company was founded in 1930 and today is known for its machining centres, special-purpose machines and production modules.

Contact

Andreas Enzenbach Vice President Corporate Communications and Marketing Andreas.Enzenbach@mapal.com Phone: +49 7361 585 3683


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